Der Gutenbergplatz in Mainz mithilfe einer KI begrünt

Rheinland-Pfalz Baden-Württemberg Bäume und grüne Fassaden: So würde eine KI Mainz und Stuttgart grüner machen

Stand: 18.06.2025 12:20 Uhr

Eine KI hat für zwei zentrale Plätze in Mainz und Stuttgart Vorschläge für mehr Grün gemacht. Das sieht gut aus - aber würde das auch gegen überhitzte Städte helfen?

Von Ulrike Brandt, Susanne Henn, Janina Schreiber

Der Gutenbergplatz in Mainz und der Marktplatz in Stuttgart haben wie viele andere zentrale Orte in Deutschland ein Problem: Im Sommer knallt die Sonne von oben, die Gebäude geben Extra-Wärme ab und der Boden ist versiegelt. Sich dort aufzuhalten, kann ziemlich unangenehm sein.

"Bitte pflanze Bäume in Mainz und Stuttgart"

Deswegen haben wir von SWR Aktuell einen Versuch gemacht und von einer KI Vorschläge geholt, wie man die die Plätze in Sachen Hitzeschutz verbessern kann. Grundlage waren Fotos von beiden Plätzen, die die KI bekommen hat - mit der Aufforderung: "Bitte pflanze Bäume, begrüne die Fassaden, lege Beete dahin, wo Asphalt ist."

Das Ergebnis: Der Mainzer Gutenbergplatz bekommt in der KI-Version eine Solarstraße. An der Fassade des Staatstheaters wachsen Pflanzen, es gibt mehr und größere Bäume, blühende Beete und zwischen den Gehwegplatten sprießt das Grün. Auf den Bildern sieht das schon mal gut aus. Wie kommt der so veränderte Platz bei den Mainzerinnen und Mainzern an?

KI-Version vom Gutenbergplatz: Lob und Kritik vom Experten

Das KI-Bild ist "sehr schön grün", lobt Bernhard Lenz. Der Experte checkt für den SWR, wie realistisch die Ideen der KI sind. Lenz lehrt und forscht als visionärer Architekt und Professor an der Hochschule Karlsruhe.

Klimaanpassung in Deutschland
Seit dem 1. Juli 2024 gibt es in Deutschland das Gesetz für Klimaanpassung. Bund, Länder und Kommunen in Deutschland müssen festlegen, wie sie sich an zunehmende Klimafolgen wie Hitze, Starkregen und Hochwasser anpassen wollen. Es geht also um Folgen der Klimaerwärmung, die sich nicht mehr vermeiden lassen und um Extremwetterereignisse. Laut Gesetz müssen die Verantwortlichen eine Strategie entwickeln und konkrete Maßnahmen planen und umsetzen - darunter zum Beispiel das Begrünen von Dächern, das Entsiegeln von Flächen und das Schaffen von Frischluftschneisen. Denn es gibt viele klimabedingte Probleme, vor denen die Menschen geschützt werden müssen. Rheinland-Pfalz will bis Anfang 2027 eine landeseigene vorsorgende Klimaanpassungsstrategie erarbeiten. Dann soll auch feststehen, welche Kommunen konkrete Konzepte erarbeiten müssen. Einige tun dies teilweise schon jetzt. In Baden-Württemberg haben einige größere Städte eigene Anpassungskonzepte erarbeitet. Deutschlandweit fordern Kommunen mehr Geld, um sich an die Folgen der Erderwärmnug anzupassen.

Doch vom Experten für Klimaanpassung in Städten gibt es auch Kritik an der Bodenbegrünung der KI-Vision: "Die Verdunstungs- oder die Kühlleistung ist nicht besonders hoch, die Pflanzen sind niedrig". Außerdem könne auf so einer Fläche nichts anderes stattfinden, kein Wochenmarkt, kein Public Viewing. Eine Flächenkonkurrenz, die das Begrünen an vielen zentralen Plätzen in Städten erschwert.

Hier gibt es das ganze Interview mit Bernhard Lenz:

Experte: Mehr Bäume sind super, aber nicht überall möglich

Auch das Pflanzen neuer Bäume ist nicht so einfach, wie die KI sich das denkt. Bäume sind toll, sagt Experte Lenz: Sie sorgen für Schatten und senken die Lufttemperatur. Doch unsere Städte existieren seit Jahrhunderten, im Untergrund liegen Wasser- und Stromleitungen, unterirdische Parkhäuser oder Tunnel:

Wir denken, Mensch, warum pflanzt da jemand keinen Baum hin? Ein großer Baum, der hat vielleicht 20, 25 Quadratmeter Wurzelfläche. Das Wurzelwerk könnte die Infrastruktur zerstören. Bernhard Lenz, Hochschule Karlsruhe

Sonnensegel über dem Mainzer Gutenbergplatz?

Wo keine großen Bäume hinpassen, empfiehlt der Experte künstliche Systeme: Verdunstungssysteme, die die Umgebung kühlen und große Sonnensegel, die Schatten spenden.

Ein Sonnensegel hängt über einem Tisch und spendet Schatten.

Wo es mit einem Baum nicht klappt, kann ein Sonnensegel Schatten spenden.

"Idealerweise kann man das Sonnenschutzsystem bei Nacht zusammenfahren", sagt Bernhard Lenz. Dann könnte die Wärme, die sich tagsüber unter dem Segel gesammelt hat, in den Nachthimmel entweichen. Für den Mainzer Gutenbergplatz hat die KI noch keine Sonnensegel mitgedacht. Und die Stadt selbst? Die wollte sich auf SWR-Anfrage hin nicht äußern.

Die Innenstadt von Stuttgart mithilfe einer KI begrünt

Die Innenstadt von Stuttgart mithilfe einer KI begrünt

KI begrünt auch Stuttgarter Marktplatz

200 Kilometer weiter Richtung Süden: Auch der Marktplatz in Stuttgart wird von der KI begrünt. Grüne Fassaden am ganzen Platz, auf den Dächern wachsen Pflanzen, unten sorgt ein Teich für Erfrischung. Eine Vision mit Wow-Effekt:

Auch hier prüft Experte Lenz wieder die KI-Ideen. Die Dachbegrünung habe zwei Vorteile: Sie kühle das Haus und halte Regenwasser zurück. Aber für die Passanten unten auf dem Marktplatz bringe viel Grün auf dem Dach nicht viel.

Experte lobt grüne Fassaden in Stuttgart

Ein Lob bekommt die KI für die grünen Fassaden in Stuttgart: Erstens gehe damit keine Fläche auf dem Boden verloren. Zweitens würde die Begrünung kühlen.

Dieser Kühleffekt kann bis zu fünf bis sechs Grad Celsius betragen. Und den spüren Sie auch noch mit wenigen Metern Entfernung." Bernhard Lenz, Hochschule Karlsruhe

Stadt Stuttgart: Es gibt viele Hürden bei Fassadengrün

Daumen hoch vom Experten - Daumen runter von der Stadtverwaltung. Obwohl die Stadt an ihren eigenen Gebäuden bis zu 30 Prozent der Fassaden begrünen will und das auch für Neubauten empfiehlt, sieht sie viele Hürden: "Die müssen bewässert werden, die müssen mit dem Boden verbunden werden, dann ziehen sie Tiere an. All das hat erhebliche Auswirkungen auch auf den Brandschutz."

Fassadengrün an der Calwer Passage in Stuttgart

Noch eine Ausnahme in Stuttgart: die begrünte Fassade der Calwer Passage

Fassadengrün ist ein wichtiges Thema, aber kein zentral vordergründiges. Sven Matis, Pressesprecher Stadt Stuttgart

Die Bedenken der Stadt beim Thema "Fassadengrün" kann Experte Lenz nachvollziehen. Trotzdem spricht er sich dafür aus.

Woher soll Wasser für mehr Grün kommen?

Was die Künstliche Intelligenz in Mainz und Stuttgart nicht zeigt: Woher das Wasser für grünere Plätze kommen soll. Das ist im Klimawandel ein wichtiges Thema. Trockene Tage ohne Niederschläge nehmen zu - gleichzeitig steigt die Gefahr für Starkregen, von dem zum Beispiel Bäume kaum etwas haben. Auch das ist eine große Herausforderung für die Städte, die gelöst werden muss. Sowohl für junge Bäume als auch für alte.

Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, dann wird es natürlich immer dramatischer und unsere Städte sind irgendwann nicht mehr lebenswert, zumindest in den Stadtzentren nicht mehr und da müssen wir jetzt gegenarbeiten. Bernhard Lenz, Hochschule Karlsruhe

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