
Nordrhein-Westfalen Missbrauchsbilder im Netz: "Wie wir Opfer uns fühlen, ist zweitrangig"
Viele Missbrauchsopfer leiden unter der Tat - und darunter, dass es online oft Bilder davon gibt. Warum wird so wenig gelöscht?
Löschen, was sonst? Darüber, was mit Missbrauchsbildern von Kindern und Jugendlichen im Internet geschehen soll, sind sich wohl die meisten einig. Doch allzu oft geschieht das eben nicht - oder nur sehr langsam. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) plädiert daher auf der gerade laufenden Innenministerkonferenz (IMK) für eine zentrale Lösch-Plattform. Behörden sollten eine einfache Lösung an die Hand bekommen, um die Löschung bei Anbietern zügig umzusetzen.
Aber wie bewerten Betroffene die Situation? Ingo Fock ist auch Missbrauchsopfer und sieht hier zwei Bereiche: den analogen Missbrauch und den digitalen. Auch von den Taten, die an ihm begangen wurden, gibt es Bilder. Vor 30 Jahren habe er diese im Internet gefunden, sagt Fock.
So lange noch Bilder von der Tat im Netz zu finden sind, können Betroffene damit nicht abschließen.
Ingo Fock, Missbrauchsopfer
Fock hat den Verein "Gegen Missbrauch" gegründet, der Aufklärungsarbeit leistet, als Anlaufstelle für Betroffene fungiert und sich auch auf politischer Ebene einsetzt. Er spricht von einem "Kopfkarussell", das bei Betroffenen ständig in Bewegung sei: "Angenommen, mich grinst jemand in der Bahn an. Macht er das dann, weil er mich sympathisch findet? Oder weil er Bilder von mir im Netz gesehen hat? Solche Fragen stellen sich Betroffene dauernd."
Vorwurf von Opfern: Online-Bilder werden als "Köder" genutzt
Dass die Behörden mit der Löschung des Materials nicht so schnell sind, wie sie sein könnten, liegt für Fock an einem Interessenskonflikt. "Die Betroffenen wollen, dass die Bilder verschwinden. Und die Strafverfolgungsbehörden wollen diejenigen schnappen, die die Bilder konsumieren." Oft verblieben auch nach der Festnahme und Verurteilung der Täter die Bilder im Netz – "als Köder", wie Fock sagt. "Wie die Opfer sich dabei fühlen, ist zweitrangig."

NRW-Innenminister Herbert Reul
"Aber das ist das Teufelszeug im Netz: Was mal drin ist, ist drin" - so äußerte sich NRW-Innenminister Reul am Donnerstag im WDR. Das Argument, dass das Internet nichts vergesse und gelöschte Bilder ohnehin nach kurzer Zeit wieder auftauchen würden, will Fock allerdings nicht gelten lassen. "Wenn man immer wieder löscht, muss es auch jemanden geben, der dann immer wieder hochlädt." Und das könnte dann eine Möglichkeit sein, digitale Spuren auszuwerten und auf die Täter, die die Bilder hochladen, aufmerksam zu werden.
Reul: "Zack - löschen - aus" funktioniert nicht
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) will das Thema voranbringen. In der Diskussion mit den anderen Innenministern hat er es als "wichtiges Problem" identifiziert, das nicht nur eine technische, sondern eine grundsätzlichere Komponente habe. Die simple Devise "Zack - löschen - aus" funktioniere in diesen Fällen leider nicht.
Statt konkreter Lösungen und Löschungen gibt es nur einen gemeinsamen Antrag, den NRW und Niedersachsen auf der Konferenz eingebracht haben - und der eher unverbindlich und nicht gerade dringend klingt: "Die IMK betont nochmals die Notwendigkeit der Verfügbarkeitsreduzierung von Missbrauchsabbildungen im Internet, um Opfer sexueller Gewalt vor etwaigen Reviktimisierungen zu schützen und bittet um eine zeitnahe Finalisierung der bundesweiten Melde- und Löschplattform des BKA."
Unsere Quellen:
- Nachrichtenagenturen dpa, Reuters
- Interview mit Ingo Fock
- Interview mit Herbert Reul im "Morgenecho" auf WDR 5