Karte des Schienennahverkehrs in NRW vor einem fahrenden Zug

Nordrhein-Westfalen Daten-Recherche: Wo in NRW die Züge am häufigsten zu spät kommen

Stand: 18.06.2025 15:31 Uhr

Neue Daten zeigen, welche Regionalzüge 2024 am unzuverlässigsten waren und wo der Bahnbetrieb funktioniert hat. Wir haben die Daten für euch ausgewertet.

Habt ihr Fragen an unser Datenteam zum Bahnverkehr in NRW und Anregungen für weitere Recherchen? Dann kommentiert diesen Beitrag auf wdr.de oder schreibt an [email protected]

Von Julian Budjan und Nándor Hulverscheidt

"Wenn Bahnfahren zuverlässig klappen würde, wäre es das tollste Verkehrsmittel von allen" – auf diese Losung können sich wohl viele Menschen einigen. Für 1,5 Millionen Fahrten täglich werden die Nahverkehrszüge in Nordrhein-Westfalen von Montag bis Freitag noch immer genutzt, trotz eines immer dysfunktionaleren Bahnfahr-Alltags, der gerade für Pendler zum Problem wird.

Volle Schienen, marode Infrastruktur und Lokführermangel – die Verspätungen und Zugausfälle nehmen zu. Das geht aus aktuellen Daten des Kompetenzcenters Integraler Taktfahrplan (KC ITF) hervor. Das Fachbüro wertet die Daten des Schienennahverkehrs (SPNV) im Auftrag der Aufgabenträger VRR, go.Rheinland und NWL sowie des NRW-Verkehrsministeriums aus.

Regionalexpress-Linien am häufigsten verspätet

Demnach kam jeder vierte tatsächlich fahrende Regionalzug im Jahr 2024 zu spät, bei den Regionalexpress-Linien hatte sogar jeder dritte Zug Verspätung (ohne Zugausfälle). Das ist der höchste Wert, seit diese Daten im Jahr 2009 erstmals öffentlich gemacht wurden. Die Verspätungsquoten haben sich in dieser Zeit mehr als verdoppelt. Die Zahlen wurden am Mittwoch im NRW-Verkehrsausschuss präsentiert.

NRW-Verkehrsminister Krischer: nicht zufriedenstellend

Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) hat die Ergebnisse im Gespräch mit dem WDR "absolut nicht zufriedenstellend" genannt. Die Gründe sieht Krischer in der maroden Infrastruktur und beim Fachkräftemangel.

Der Minister betonte aber, dass es sich um Zahlen aus dem vergangenen Jahr handelt. Mittlerweile würden schon die bereits eingeleiteten Maßnahmen greifen. Als ein Beispiel nannte Krischer die Ausbildung von Lokführern. Die Zahlen für 2025 seien auch schon deutlich besser. "Wir sind aber längst noch nicht über den Berg", so der Grünen-Politiker.

Doch welche Regionalzüge stechen besonders hervor – negativ wie positiv? Im Gegensatz zu anderen Bundesländern gehen die Akteure des Nahverkehrs in NRW transparent mit den Bahndaten um; das KC ITF veröffentlicht viermal im Jahr Werte zu einzelnen Linien im SPNV-Qualitätsmonitor.

Dabei setzt es vergleichsweise strengere Messungen an: Eine Verspätung beginnt ab 3:59 Minuten hinter dem Fahrplan, bei Fernverkehrszügen der Deutschen Bahn erst ab 5:59 Minuten. Vor wenigen Wochen wurden die Zahlen für das Jahr 2024 vervollständigt.

RE 7 kommt häufiger verspätet als pünktlich  

Ein Zug kommt demnach sogar häufiger verspätet als pünktlich, der RE 7, der von Krefeld über Köln nach Münster und manchmal sogar nach Rheine eine weite Strecke zurückzulegen hat. Auch die häufig verspäteten RE 5 und RE 2 müssen lange Fahrtwege bewältigen.

Noch 2021 lief es bei all diesen Zügen aber deutlich häufiger reibungslos: Damals brachten RE 5 und RE 2 bei drei von vier Fahrten ihre Fahrgäste pünktlich ans Ziel, der RE 7 zumindest bei zwei von drei Fahrten.

Verspätete Züge fuhren 2024 besonders häufig über große Knotenpunkte von Rhein und Ruhr. Die Mehrheit der vorbeifahrenden Regional- und S-Bahn-Linien, die über Köln, Düsseldorf, Essen, Bonn oder Mönchengladbach fahren, weist eine Verspätungsquote von 33 Prozent und mehr auf. Zum Vergleich: Insgesamt erreichen 21 von 101 Linien im Schienennahverkehr diesen hohen Wert.

Doch es gibt auch einige Züge, die den Großteil ihrer Fahrten pünktlich beendeten, meist Regionalbahnen und S-Bahnen auf weniger vollen Strecken, unter anderem im westfälischen Sauerland, Siegerland und in der Eifel.

Zugausfälle wegen Personalmangel

Doch schlimmer ist es für die Bahnfahrenden meist, wenn der Zug gar nicht kommt. Im Jahr 2024 sind von 118 Millionen bestellten Zugkilometern für alle Regionalzug-Verbindungen mehr als 20 Millionen Zugkilometer ausgefallen – also ein Sechstel aller Zugstrecken. Das sind noch einmal 26 Prozent mehr als noch 2023.

Die meisten Zugausfälle waren geplant, zum Beispiel wegen notwendiger Streckensanierungen. Mehr als fünf Prozent aller Zugkilometer sind kurzfristig ausgefallen. Der häufigste Grund: Personalausfall. Rund ein Drittel sind auf verspätetes oder erkranktes Personal zurückzuführen, für das kein Ersatz bereitstand.

Insgesamt beläuft sich diese Strecke der kurzfristig aus nicht vorhersehbaren Gründen ausgefallenen Züge auf 6,4 Millionen Kilometer. Diese Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen (6,9 Millionen). Allerdings nur, weil die drei SPNV-Aufgabenträger VRR, go.Rheinland und NWL im Jahr 2024 erstmals gezielt einzelne Verbindungen mit Personal- oder Fahrzeugproblemen temporär aus dem Fahrplan genommen haben. Damit Fahrgäste zumindest besser planen können.

Temporär eingeschränkte Linien

Auch für das Jahr 2025 wurden weitere Verbindungen stark eingeschränkt. Die vier Verbindungen mit den meisten Ausfällen 2024 fahren derzeit nicht nach Fahrplan: Die RB 67 nur noch zwischen Münster und Rheda-Wiedenbrück, zudem seltener. Der RE 11, der einmal Düsseldorf an Kassel angebunden hat, fast nur noch zwischen Hamm und Kassel. Die RB 66 fährt schon seit 2024 nur noch im Zwei-Stunden-Takt, ebenso wie der RE 82 seine Strecke in Ostwestfalen seit einigen Monaten nur noch viermal pro Tag versorgt.

Problematisch sind die Ausfälle vor allem auf ländlichen Strecken, auf denen es keine alternativen Zugverbindungen gibt und allenfalls Busse als Ersatz eingesetzt werden. Besonders betroffen waren unter anderem Kleinstädte im Münsterland, aber auch der Obere Niederrhein.

Die RB 31 ist für viele Menschen von Duisburg die einzige Möglichkeit nach Hause in den Kreis Wesel bis nach Xanten zu kommen. Doch jeder 13. Zug fiel kurzfristig aus, fast jeder zweite fahrende Zug war verspätet. Auch der RE 10 nach Kleve fiel ähnlich häufig aus, jede dritte Verbindung war verspätet, wenngleich sich die Situation auf der Problemstrecke insgesamt leicht verbessert hat.

Im Sauerland gibt es die wenigsten Probleme

Die wenigsten Probleme und den damit höchsten vom KC ITF errechneten Gesamtwert aus Verspätungen, Zugausfällen, Wagenstreichungen und Komplexität der Strecke hat die zwischen Münster und dem niederländischen Enschede verkehrende RB 64. In der Summe finden sich die meisten Strecken mit positiven Werten im Sauerland, siehe Grafik unten. Auch die S-Bahn zwischen Dortmund und Unna kommt auf hohe Werte.

Der RE 7 wird vom KC ITF übrigens trotz seiner vielen Probleme nicht auf dem letzten Platz geführt, sondern nur auf dem fünftletzten. Beim Komplexitätswert wird neben der Länge der Strecke nämlich auch die Nutzung überlasteter Streckenabschnitte oder die Anzahl der Fahrgäste berücksichtigt. Deshalb schneidet der RE 82 entlang des Teutoburger Walds am schlechtesten ab.

Besonders kritisch und häufige Ursache für Ausfälle ist der Lokführermangel. Fallen von einem Betreiber mehrere parallel krankheitsbedingt aus, gibt es keinen Ersatz. Akut fehlen bereits 500 Lokführer in NRW, in den nächsten Jahren gehen viele weitere in Rente. Politik, Verkehrsverbünde und Betreiber versuchen mit einem Aktionsprogramm entgegenzuwirken.

Die Probleme bei Personal und Fahrzeugen sind je nach Betreiber unterschiedlich stark ausgeprägt. 2024 mussten häufig Eurobahn und National Express Verbindungen auf einzelnen Linien kurzfristig ausfallen lassen, doch beide Anbieter betreiben auch sehr zuverlässige Bahnen, wie unser Vergleich der einzelnen Linien zeigt.

NRW-Bahninfrastruktur in schlechtem Zustand

Die steigenden Verspätungen sind meist auf andere Gründe zurückzuführen. Insgesamt galten 2024 laut KC ITF mehr als zehn Prozent der in NRW gefahrenen Zugkilometer im SPNV als sogenannte "Überlastete Schienenwege". Also Bahnstrecken, auf denen zu viele Züge, eng getaktet unterwegs sind.

Der Netzzustandsbericht der Deutschen Bahn für das Jahr 2024 bestätigte im April 2025: Die Infrastruktur ist nicht nur überlastet, sondern auch in einem miserablen Zustand, im Bundesvergleich liegt NRW auf dem vorletzten Platz.

Auch Langsamfahrstellen verursachen Verspätungen

Zudem sind da die sogenannten Langsamfahrstellen. Also Abschnitte, auf denen temporär nur mit reduzierter Geschwindigkeit gefahren werden kann. Sei es, weil dort Gleisarbeiten stattfinden – oder wegen erheblicher Streckenmängel.

92 dieser Abschnitte mit einer Gesamtlänge von 122 Kilometern gab 2024 es durchschnittlich pro Monat im SPNV-Netz in NRW. Für sechs neue Abschnitte gelten dauerhaft reduzierte Geschwindigkeiten, heißt es vom KC ITF. Weil eine Beseitigung der Mängel aktuell nicht abzusehen ist.

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Unsere Quellen:

Über dieses Thema berichten wir im WDR am 18.6.2025 auch im Hörfunk: WDR 5 Morgenecho, ab 6 Uhr.