
Familiär und jung: Bachwoche in Greifswald eröffnet
Der Mädchenchor Hannover gehört zu den weltbesten Jugendchören. Die jungen Sängerinnen sind preisgekrönt, ihre Tourneen führen sie durch viele Länder der Welt. Am 16. Juni haben sie in ihren rot leuchtenden Kleidern im Greifswalder Dom die Bachwoche eröffnet.
Das diesjährige Festival steht unter dem Motto "Bach familiär". "Die Idee gab es schon längere Zeit", sagt Frank Dittmer, der Leiter der Bachwoche. "Weil wir einerseits wissen, wie umfangreich das Werk aller Angehörigen der Bachfamilie ist - wir gehen mindestens von 80 aus. Und natürlich ist der Anknüpfungspunkt der familiäre Charakter unseres Festivals."
Schwerpunkt sind in diesem Jahr deshalb Kinder- und Familienkonzerte. Bei "Bach und Waldi" am Donnerstag dreht sich alles um den kleinen Hund des großen Komponisten. Und in "Bach mal anders" stehen humorvolle Arrangements im Mittelpunkt, die auch Einblicke in das Familienleben der Bachs geben.
Familiäres Programm auch durch große Bach-Familie
Familiär ist bei dieser Bachwoche aber nicht nur das Programm, sondern auch das, was es thematisiert: die große Bach-Familie. "Das war ein starkes soziales Gefüge", sagt Festivalleiter Frank Dittmer. "Die haben gerne zusammen gefeiert, selbst Musik gemacht und Instrumente gespielt. Da ging es richtig zur Sache. Und sie haben sich umeinander gekümmert: Wenn etwa Eltern gestorben sind, wurden Neffen und Nichten von anderen Familienmitgliedern aufgenommen. Ich weiß gar nicht, wie die die alle untergebracht haben in Leipzig."
Johann Ernst Bach, Wilhelm Friedemann Bach, Carl Philipp Emanuel Bach, Heinrich Bach, Johann Christian Bach, allein 14 verschiedene Johann Christoph Bachs - die Bachfamilie war groß. Viele der rund 40 Konzerte dieser Festivalwoche widmen sich genau diesen Verwandten und ihren Werken. Mittelpunkt ist dabei jeden Morgen der Kantaten-Gottesdienst im Greifswalder Dom. "Wir haben Kantaten aus den verschiedenen Wirkungsorten Johann Sebastian Bachs ausgewählt", erklärt Bachwochen-Leiter Dittmer. "Also Arnstadt, Mühlhausen, wo er nur ein Jahr war, Weimar, Köthen, Leipzig..."
Traditionelle Eröffnung mit Clavichordkonzert
Eine der Kantaten in diesem Jahr: "Nach dir, Herr, verlanget mich", komponiert von Johann Sebastian Bach 1704 in Arnstadt. Vermutlich ist es seine erste. "Sehr expressive Musik", sagt Dittmer. "Dafür, dass es eines seiner Frühwerke ist, ist das umwerfend. Kaum jemand kennt diese Kantate. Es ist schwierig, über Musik zu sprechen - aber ich weiß jetzt schon: Sie wird einen wirklich ergreifen." Alle Kantaten der Bachwoche sind Mitsing-Konzerte. Geprobt wird jeweils am Vorabend. Das gemeinsame Musizieren gehört fest zum Konzept. Darüber hinaus bietet das Festival bis Sonntag ein vielfältiges Programm: Kammermusik, Morgenmusiken, Motetten von Bach, Orgelkonzerte, ein Theaterstück, ein Jugend-Tanzprojekt und Bachmusik zur Nacht.
Eröffnet wurde die Bachwoche, wie jedes Jahr seit 1946, mit einem Clavichordkonzert in der St. Annenkapelle der Greifswalder Marienkirche. Das tischgroße Tasteninstrument klingt leise und fein - ein bewusster Kontrast zu den großen Konzertformaten. Annelise Pflugbeil, die Gründerin der Bachwoche, eröffnete das Festival bis ins hohe Alter mit diesen Konzerten. 2015 starb sie mit 97 Jahren. Mit den Clavichord-Konzerten ehrt der Festivalleiter sie bis heute. "Ich finde das auch deshalb so charmant, weil das Clavichord so zart klingt", sagt Dittmer. "Es steht im starken Kontrast zu den großen, prächtigen Konzerten. Dieses leise, konzentrierte Zuhören, das hat fast etwas von Understatement."
"Ein Sahnestückchen nach dem anderen"
Wichtigste Aufführung der diesjährigen Bachwoche ist das Christus-Oratorium, das 21. Juni im Greifswalder Dom erklingt. Das Werk vereint Kompositionen von Johann Sebastian Bach, die er zur Ehre Gottes geschrieben hat, zusammengestellt zu einem neuen musikalischen Ganzen. Aufgeführt wird es vom Greifswalder Domchor, Solisten und dem Orchester der Greifswalder Bachwoche unter der Leitung von Frank Dittmer. "Es ist ein umwerfend tolles Stück", findet Dittmer. "Man hört da ein Sahnestückchen nach dem anderen. Es ist sogar eine Arie dabei wie 'Ich will nur dir zu Ehren leben' aus dem vierten Teil des Weihnachtsoratoriums, neben vielen anderen Höhepunkte aus Bachs Werk."