
Bremen Aggressives Betteln in Bremen: "Es hat sich nichts geändert"
Seit einem Jahr ist aggressives Betteln in Bremen verboten. Das hält Menschen nicht davon ab, andere anzusprechen, selbst Gastro-Gäste. So sehen das Menschen, die betteln.
Die Stadt Bremen geht seit einem Jahr gegen aggressives Betteln vor. Aggressiv betteln bedeutet, Passanten bedrängen, festhalten oder berühren, den Weg versperren oder auch wiederholt ansprechen, selbst nachdem sie zuvor die Bitte um Geld abgelehnt hatten. Was hat das Verbot bislang bewirkt? Wir haben uns in der Bremer Innenstadt umgehört.
Konkurrenz ums Kleingeld
"Ich habe das bis vor Kurzem selbst noch gemacht", sagt Jamiro, 21 Jahre alt, der vor einem Schaufenster in der Bremer Innenstadt sitzt. "Weil es anfangs einfach gut funktioniert hat." Weil seine Füße wehtun, hat er entschieden, sich hinzusetzten. Außerdem haben immer mehr Menschen "Nein" gesagt, berichtet Jamiro, und spricht von einer Erfolgsquote von gerade mal fünf Prozent.

Jamiro hat bis vor Kurzem in der Bremer City gebettelt.
Insgesamt seien mehr Menschen unterwegs, die betteln, so sein Eindruck. Ihn stört das nicht, er setzt sich dann ein paar Meter weiter. Straßenmusik ist für ihn aber eine Art Konkurrenz. Auch im Sitzen spricht er Menschen an, fragt, ob sie vielleicht etwas Kleingeld haben. Ob das schon aggressives Betteln ist? "Ich denke schon", sagt er und bilanziert: Ein Jahr nach dem Verbot hat sich nichts geändert.
Mitleid wird ausgenutzt

Michael kennt Menschen, die aggressiv betteln.
Michael, 51, sitzt in der Sögestraße an einer Ecke, den Ellbogen auf das aufgestellte Knie gestützt, den Arm mit dem Sammelbecher in der Hand ausgestreckt. Dass viele Menschen Mitleid haben, werde leider ausgenutzt, stellt er fest. Er kennt aggressive Bettler: "Die kommen mit zehn Mann, haben teilweise Kinder dabei, obwohl das verboten ist. Aber die kriegen richtig was zusammen. Abends müssen sie das Geld dann abgeben", schildert er seine Beobachtungen.
Leicht frustriert fügt er hinzu: "Unsereins kann dann gucken, wie es klar kommt. Ich frage mich: Was bringt ein Verbot aggressiven Bettelns, wenn sie es nicht durchsetzen können?"
Mehr Erfolg durch ruhiges Verhalten
Katharina sitzt mit ihrem Hund in der Obernstraße auf einer Decke. Auch sie hat eigentlich nichts gegen das Verbot aggressiven Bettelns. "Die aggressiven Bettler, die machen unsereins das Leben schwer", gibt sie zu bedenken. Andererseits habe sie aber auch schon das Gegenteil erlebt: bewusste Zuwendung, gerade weil sie eben keine Leute anspricht, sondern freundlich dasitzt.
Manche Leute geben extra was und sagen dabei: "So macht man das", wenn die von anderen Leuten etwa beim Bahnhof angesprochen wurden.
(Katharina, bettelt in der Bremer City)
Daniel sagt, er lebe erst seit Kurzem auf der Straße, als er durch die Sögestraße läuft. Vor einem Jahr habe er noch gekellnert, da war es mit Menschen, die betteln, noch nicht so schlimm. Das habe zugenommen.

Daniel lebt erst seit Kurzem auf der Straße.
"Insbesondere die Pfandflaschensammler. Viele sind Drogenkonsumenten. Aber auch die altbekannte Bettelmafia ist aktiv, da wird abends das Geld abgeholt. Ich bekomme zwar Arbeitslosengeld Anfang des Monats, muss aber auch Schulden abbezahlen und lebe vom Schnorren."
Kontrast zur offiziellen Bilanz
Obwohl die Bremer Handelskammer von einem kleinen Erfolg spricht und das Innenressort die Zusammenarbeit von Gastronomen, Ordnungsdienst und Polizei lobt – bei der vor-Ort-Recherche berichten alle angetroffenen Gastronomen und deren Mitarbeiter in der Bremer City und der Neustadt von täglichen Besuchen bettelnder Menschen.
Gastronom Jonas Wischeropp sagt, es kommen täglich rund zehn Menschen, die die Gäste ansprechen. Heute wie auch vor einem Jahr.
Nein, da hat sich natürlich nichts dran geändert, weil das Problem ja nicht behoben wurde. Den Leuten geht es nicht besser, wieso sollten sie aufhören?
(Jonas Wischeropp, Gastronom)
Das Team vom Papp hat sich deshalb einen eigene Vorgehensweise überlegt, wenn jemand kommt, der die Gäste nach Geld fragen will: Am Tresen anmelden, bei angemessenem Zustand und genug Pause zum vorherigen Schnorrer eine Erlaubnis bekommen, unaufdringlich eben kurz die Gäste fragen, bedanken, verabschieden, wieder gehen. Und das einmal pro Tag. Es gibt keinen Tag, an dem keiner zum Betteln vorbeikommt.
"Es gibt Menschen, mit denen müssen wir mehr diskutieren. Andere kommen sehr gut mit unseren Regeln klar. Die hatten wir aber auch schon vor dem Gesetz. Armut ist ein gesellschaftliches Thema, mit dem wir uns alle auseinander setzen müssen", sagt Jonas Wischeropp.
Bei der Bremer Straßenbahn AG sei in dem Jahr keine große Veränderung festzustellen, sagt ein Sprecher. Die Zahl der gemeldeten Fälle von Belästigungen durch Betteln ist aber sehr gering. Mehr Präsenz von Polizei und Ordnungsdienst an den Haltestellen beim Hauptbahnhof ist sicher hilfreich, um die Lage zu verbessern, so die BSAG.
Dieses Thema im Programm:
Bremen Zwei, Der Morgen, 18. Juni 2025, 6:16 Uhr