
Brandenburg Initiator des CSD in Eberswalde: "Wir gehen nicht weg, wir unterstützen uns gegenseitig"
In Eberswalde findet am Samstag zum zweiten Mal ein CSD statt. Initiiert hat ihn der Student Maximilian Armonies. Für ihn ist es wichtig, auf die Straße zu gehen - trotz möglicher Angriffe.
rbb|24: Am Samstag, 21. Juni, findet der zweite CSD in Eberswalde statt. Unter welchem Motto steht er? Und mit wie vielen Teilnehmern rechnest du?
Maximilian Armonies: Das Motto des diesjährigen CSD ist: "Wir sind da, solidarisch, bunt und wunderbar." Und wir rechnen wahrscheinlich so mit 1.000, 1.500, wenn es gut läuft, mit 2.000 Teilnehmer:innen. Wir hoffen einfach, dass so viele Leute wie möglich zu uns kommen und uns dabei helfen, unsere Message laut auf die Straße zu tragen.

Wie ist die Lage für queere Menschen in Eberswalde, wenn man weiß, dass 16 Kilometer weiter, in Bad Freienwalde, ein Vielfaltsfest überfallen wurde?
Letztendlich war dieser Angriff auf dieses Fest für Vielfalt in Bad Freienwalde für uns keine Überraschung in dem Sinne, dass wir geschockt waren, dass es jetzt auf einmal zu einem Angriff kam. Wir haben im letzten Jahr gesehen, dass unglaublich viele CSDs überfallen wurden. […] Wir haben hier in Eberswalde auch regelmäßig Montagsdemos auf dem Marktplatz, die angeblich für Frieden sind. Aber wenn man da zuhört, dann ist das eigentlich auch nur Hetze: Hetze gegen Ausländer, Hetze gegen Migranten, Hetze gegen Asylanten, Hetze gegen queere Menschen. Und das reiht sich in das ein, was wir auch so in der Stadt wahrnehmen.
Das ist fast schon eine Dichotomie: Wir haben hier einmal die Hochschule und das Umfeld der Hochschule, die freiheitlich demokratisch agieren, wo unglaublich viele tolle Menschen sind, die eben für Vielfalt einstehen. Die Stadt selbst macht auch immer wieder Aktionen, ist da irgendwie sehr mit dabei. Gerade das Waldstadt-Festival am vergangenen Wochenende war auch ein großes Symbol. Da waren Künstler:innen, die sich klar positionieren für Vielfalt, für Queerness im Alltag. - Und dann hat man aber trotzdem immer wieder eben auch diese andere Seite, dass man sich eben doch nicht überall sicher fühlt.
Wie ist das, wenn man in Eberswalde man offen queer lebt: Ist man bedacht, nicht aufzufallen?
Ich denke, es ist ähnlich wie in Berlin: Man muss wissen, wo man unterwegs ist. Es gibt Viertel, wo ich das hier definitiv auch nicht machen würde. Aber es ist eben auch nicht die ganze Stadt und überall immer so. Es ist auch ein Unterschied, ob es jetzt tagsüber oder nachts ist. Ich kann vor allem aus meiner persönlichen Perspektive sprechen, ich mache mir schon immer wieder Gedanken darüber, was ich gerade auf meinem T-Shirt habe. Muss ich mir vielleicht noch einen Pulli mitnehmen, um dann nachts eben diese Message auf meinem T-Shirt nicht so ganz rauszutragen - sei es ein Regenbogen oder das Logo unseres CSD's? Und kann ich irgendwie guten Gewissens meine Beziehungsmenschen hier einladen, kann ich abends am Kanal sitzen, mit einem Menschen Arm in Arm oder soll ich da lieber darauf verzichten? Das sind Gedanken, die, glaube ich, queere Menschen in ganz Deutschland beschäftigt. Das ist nicht Eberswalde-spezifisch oder nicht ortspezifisch. Das sind Gedanken, die, glaube ich, ziemlich häufig durch den Kopf von queeren Menschen gehen.

Vor zwei Wochen hat die AfD versucht, mit dem Antrag "Schwarz-Rot-Gold ist bunt genug" den Pride-Month zu torpedieren. Pride-Fahnen sollten aus der Stadt verschwinden.
Naja, letztendlich wurde dieser Antrag abgelehnt und das von allen anderen Fraktionen außer der AfD. Die AfD war die Einzige, die dafür gestimmt hat. Es ist klar, wie wir sehen, ein Rechtsruck. Aber - und das ist auch zu betonen - es sind 33 bis 35 Prozent. Wir haben immer noch 65 Prozent, die die AfD nicht wählen. Es gibt dann auch noch Nichtwähler:innen und es gibt eben ganz viele, die eben nicht die AfD wählen, und das ist unser Fokus. Die versuchen wir mitzunehmen, denen versuchen wir zu vermitteln, warum es so wichtig ist, mit uns für unsere Rechte einzustehen. Deswegen haben wir die "Queeren Wochen" [Anm. d. Red.: 6. bis 21. Juni] gemacht. Deswegen haben wir am Montag die "Human Library" auf dem Marktplatz gemacht. Damit wir eben aus unserer Blase rauskommen, damit wir Menschen, die vielleicht unwissend sind, die Möglichkeit geben können, uns Fragen zu stellen, sich mit uns zu unterhalten, Gesichter zu den Geschichten zu bekommen, Gesichter zu dem, was wir fordern, zu bekommen. Und die Stadtverwaltung, der Bürgermeister, die Gleichstellungsbeauftragte, der Sozialdezernent, der Pressesprecher, die stehen alle bei uns an unserer Seite. Die sind mit dabei. Die unterstützen uns, wenn es darum geht, mit Behörden zu sprechen. Die unterstützen uns, wenn es darum geht, Vernetzung in der Stadt zu bekommen.
Wie ist es auszuhalten, wenn es darum geht, Förderung zu bekommen für den CSD, während die CDU im Barnimer Kreistag ruft: Das geht nicht, der CSD ist nicht familienfreundlich...
Frustrierend, würde ich sagen. Das sind Narrative, die noch aus der NS-Zeit stammen. Also diese ganze Frühsexualisierung, der Vorwurf, gerade an schwule Männer pädophil zu sein usw.. Dass die CDU das jetzt perpetuiert, diese Narrative weiterspinnt, in einer heutigen Zeit, in der es superwichtig ist, Haltung zu zeigen, ist unglaublich frustrierend. Meines Erachtens hat die CDU im Kreistag nicht verstanden, dass es nicht um die Finanzierung des CSD geht, sondern um eine Party, die für alle offen ist, die ein familienfreundliches Programm hat, wo Künstlerinnen auftreten, wo Kultur zum Leben erweckt wird und wo wir auch einen Teil daran haben.
Nun heißt es in der Stadtverordnetenversammlung von Eberswalde, dass die AfD ein Sommerfest auf dem Marktplatz am 21. Juni, dem Veranstaltungstag des CSD, angemeldet hat. Wie bereitet ihr euch darauf vor?
Man muss da ein bisschen die Chronologie beachten. Im April gab es einen Aufruf aus der Stadtverordnetenversammlung, wo AfD-Politiker zu einer Gegendemo gegen den CSD aufrufen. Unter dem Motto "Keine Frühsexualisierung und Gefährdung unserer Kinder" oder so. Daraufhin haben wir uns bewusst gemacht: Wir müssen damit rechnen, dass es Störaktionen, Gewalt geben kann - und haben uns darauf vorbereitet.
Dann kam im Vorlauf der Stadtverordnetenversammlung vor zweieinhalb Wochen die Nachricht, die AfD macht jetzt ein Sommerfest auf dem Marktplatz, da wo vorher die Gegendemo gegen den CSD angekündigt war. Die AfD macht jetzt also ein Sommerfest, lädt hochkarätige VertreterInnen der Brandenburger AfD ein. […] Letztendlich ändert sich da für uns nicht wirklich was. Wir gehen weiterhin davon aus, dass es zu Störversuchen kommen kann. Wir gehen weiter davon aus, dass es zu Angriffen kommen kann. […] Wir versuchen, unsere Message auf die Straße zu tragen und dem Gegenprotest oder dem Sommerfest nicht so viel Aufmerksamkeit zu geben, denn wir haben unsere eigene Message. Wir haben unsere eigenen Forderungen und das steht im Vordergrund.

Habt ihr nach dem Angriff in Bad Freienwalde noch besondere Sicherheitskonzepte ausgearbeitet?
Dadurch, dass wir schon, bevor das in Bad Freienwalde passiert ist, davon ausgegangen sind, dass so was auch bei uns passieren kann, haben wir das auch schon in unserem Gespräch mit der Polizei vor mehreren Wochen angesprochen. Wir sind da im engen Austausch mit der Polizei. Unser Sicherheitskonzept - auch intern - ist auch darauf ausgelegt, dass es zu Angriffen kommen kann. Wir können natürlich nicht den vollständigen und hundertprozentigen Schutz unserer Teilnehmer:innen gewährleisten, aber wir tun alles im Rahmen unseres Möglichen, eine Eskalation zu vermeiden.
Wie wichtig ist der CSD? Welches positive Zeichen soll davon ausgehen?
Letztendlich ist es unglaublich wichtig, dass wir am Samstag auf die Straße gehen. Sowohl für unsere Community selbst, als auch für alle Außenstehenden, einmal zu zeigen, dass wir uns nicht einschüchtern lassen. Andererseits aber auch unsere Community zu zeigen, wir gehen nicht weg, wir unterstützen uns gegenseitig weiterhin. Wir sind viele, wir vernetzen uns, wir sind füreinander da. Und wir können auch Stärke zeigen. Schön wäre es, wenn Menschen, die vielleicht nicht auf dem CSD gehen, uns trotzdem sehen und sagen: Krass, okay, da ist ja richtig was am Start. Und die haben ja richtig Spaß. Und die sind ja richtig toll gekleidet. Vielleicht kommen wir da nächstes Jahr dann auch mit.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Georg-Stefan Russew für den rbb. Der Text ist eine gekürzte und redigierte Fassung des Gesprächs.
Sendung: Antenne Brandenburg, 20.06.2025, 14:40 Uhr