
Berlin Analyse zum BerlinTrend: Die Linke wird zur Machtoption
Vor einem Jahr galt die Berliner Linke als zerstritten und am Boden – jetzt liegt sie im BerlinTrend auf Platz zwei. Parteichef Schirmer will 2026 das Rote Rathaus erobern. CDU und SPD dagegen verlieren an Rückhalt – und streiten zunehmend offen. Von Sebastian Schöbel
Für die Linken geht der Höhenflug in Berlin weiter: Galt die Partei vor einem Jahr noch als politischer Sanierungsfall, kann sie sich nun Chancen auf das Rote Rathaus machen. Denn im aktuellen BerlinTrend von rbb24 Abendschau und rbb 88.8 wird die Linke mit 19 Prozent zweitstärkste Kraft hinter der CDU und erreicht Zustimmungswerte wie zuletzt bei der Abgeordnetenhauswahl 2021.
Linken-Parteichef Maximilian Schirmer dürfte sich also bestätigt fühlen in seiner Vision von einer "roten Metropole": Nach dem deutlichen Sieg bei der Bundestagswahl in Berlin, bei der die Linke fast 20 Prozent der Zweitstimmen holte, hatte Schirmer bereits angekündigt, nach der kommenden Berlin-Wahl 2026 die nächste Regierung anführen zu wollen – und zwar als "stärkste Kraft" im politischen Berlin. Letzteres ist laut BerlinTrend zwar noch nicht erreicht, doch eine rot-grün-rote Koalition wäre bereits möglich – erstmals unter linker Führung.
Linke: Mehr als 8.000 Parteieintritte
Damit setzt sich für die Linke die positive Entwicklung seit der überraschend erfolgreichen Bundestagswahl fort: Im Februar wurde nicht nur der Wiedereinzug in den Bundestag erreicht, die Partei gewann allein in der Bundeshauptstadt vier Direktmandate. Mehr als 8.000 Menschen sind in die Partei eingetreten. Viele sind politisch noch unerfahren, räumte Schirmer ein, aber es sind viele Junge dabei. Und das wirkt sich aus: Lag die Zustimmung der 16- bis 34-Jährigen für die Linke im BerlinTrend vor einem Jahr noch bei 11 Prozent, sind es nun 46 Prozent. In keiner anderen Altersgruppe war die Veränderung so radikal.
Damit hat die Linke offenbar auch die Zeit der internen Spaltung hinter sich gelassen: Sowohl der Bruch durch die Gründung des Bündnis Sahra Wagenknecht, als auch der Streit über den Nahostkonflikt, der die Berliner Linke mehrere prominente Mitglieder gekostet hat, scheinen überwunden. Dass die Linke im anstehenden Wahlkampf das Thema Mietenpolitik zum Schwerpunkt machen will, trifft zudem den Berliner Zeitgeist. Rund ein Viertel der Befragten im BerlinTrend gab an, dass das Thema für sie oberste Priorität habe.

Den Satz "der Wahlkampf hat begonnen" hört man immer öfter
Für die amtierende schwarz-rote Koalition wiederum ist der BerlinTrend abermals ein Warnsignal. Wie schon bei der Umfrage im April 2024 verpassen CDU und SPD klar die Mehrheit. Würde am Sonntag gewählt, könnten sie aller Voraussicht nach nicht zusammen weiterregieren. Zuletzt waren die Streitigkeiten und Zerwürfnisse immer häufiger öffentlich geworden, etwa bei der Aufhebung von Tempo-30-Zonen, der Unterbringung von Geflüchteten in dezentralen Unterkünften, oder der Einführung einer Ausbildungsplatzumlage.
Kritik übereinander äußern die beiden Koalitionspartner längst nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand. Den Satz "der Wahlkampf hat begonnen" hört man immer öfter. Dass die seit Jahren überfällige und komplizierte Verwaltungsreform auf gutem Wege ist, zahlt derweil kaum auf das Konto beider Parteien ein. Fast siebzig Prozent der Befragten sagen im BerlinTrend, sie seien mit der Arbeit des schwarz-roten Senates unzufrieden. Das dürfte vor allem Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) beschäftigen, der das Thema Verwaltungsreform zur persönlichen Priorität erklärt hat. Seine Zustimmungswerte aber verharren fast unverändert bei mageren 29 Prozent.
Kein anderer Ministerpräsident genießt so wenig Zuspruch wie Wegner. Etwas verloren und kraftlos wirken die Berliner Grünen: Den Schock der Bundestagswahl mit 5 Prozentpunkten Minus und vor allem dem Verlust des Direktmandats in ihrer Hochburg Friedrichshain-Kreuzberg hat die Partei offenbar noch nicht verkraftet.
Für das BSW ist der anfänglich Aufschwung in Berlin vorbei
Der Traum, die nächste Berliner Regierung anführen zu können, liegt Stand jetzt in weiter Ferne. In der Opposition konnten die Grünen bislang kaum Akzente setzen, und die Linke macht ihnen die jungen Wähler streitig. Ob die Positionierung als "NOLympia-Partei" Punkte bringen wird, bleibt abzuwarten.
Für die Berliner AfD wiederum hat das starke Abschneiden der Bundespartei bei der Bundestagswahl keine Zugewinne gebracht. Hier könnte die Debatte über die Einstufung der Bundes-AfD als gesichert rechtsextrem eine Rolle gespielt haben.
Für das BSW wiederum ist der anfängliche Aufschwung in Berlin vorbei. Lag die Partei beim BerlinTrend Ende 2024 noch bei 7 Prozent und damit auf Kurs Richtung Abgeordnetenhaus, wäre sie nun mit 4 Prozent draußen. Offenbar schadet dem Landesverband in der Bundeshauptstadt, dass zuletzt interne Streitigkeiten über den Einfluss der übermächtigen Parteichefin offen ausgetragen wurden.
Sendung: Inforadio, 19.06.2025, 06:00 Uhr