Ein Werbeplakat der Firma Horten hängt an den Wänden eines verlassenen Bahnsteigs in einem Geistertunnel ohne Gleise unter dem Hamburger Hauptbahnhof. Die 1968 gebaute U-Bahn Tunnelröhre wurde nie benutzt. (22.06.2022)

Das Ende der Geistertunnel unter dem Hamburger Hauptbahnhof

Stand: 18.06.2025 05:00 Uhr

1968 wurde die U-Bahnstation Hauptbahnhof Nord in Hamburg fertiggestellt. Aber: Zwei von vier Röhren gingen nie in Betrieb. Sie wurden zugemauert und vergittert. Die neue U5 wird diese Röhren nutzen.

57 Jahre lang staubten die gekachelten Röhren unter der Station Hauptbahnhof Nord in Hamburg zu. Der Staub wird künftig von Bauarbeiten kommen. Ende der 2030er-Jahre sollen dort endlich Züge rollen - und zwar die der U5 zwischen Bramfeld und Volkspark.

Der Hamburger U-Bahnhof Hauptbahnhof Nord wurde am 29. September 1968 eröffnet. In 30 Metern Tiefe waren vier Bahnsteigröhren gebaut worden. Doch nur die beiden inneren wurden genutzt - zunächst für die Linie U2, später auch für die U4. Die beiden äußeren Röhren wurden als sogenannte Bauvorleistung erstellt. Diese sollte Teil einer geplanten U-Bahnlinie zwischen Osdorfer Born/Lurup und Winterhude/Alsterdorf sein. In diesem Zusammenhang wurde auch an der Station Sengelmannstraße ein zweiter Bahnsteig gebaut. Allerdings wurde diese U-Bahnlinie nicht verwirklicht.

Neue U-Bahnlinie sollte 1983 fertig sein

Die geplante Strecke sollte eigentlich in einer Bauzeit von acht Jahren fertiggestellt werden, die Inbetriebnahme war für 1983 angedacht, schreibt Ulrich Christiansen in seinem Buch "Hamburgs dunkle Welten". Der Autor hat sich intensiv mit der Geschichte des unterirdischen Verkehrs in Hamburg befasst.

Finanzdefizit führt zum Verzicht auf Nahverkehrsausbau

Dass man von den Planungen wieder absah, hing zum einem mit einer rückläufigen Bevölkerungsentwicklung in Hamburg zusammen, zum anderen mit konjunkturellen Schwierigkeiten, die sich auch durch die Öl-Krise 1972/73 ergaben. Bürgermeister Peter Schulz (SPD) gab infolge eines riesigen Finanzdefizits und einem schlechten Wahlergebnis auf Drängen seiner Partei sein Amt auf. Sein Nachfolger Hans-Ulrich Klose zog die Sparschraube an und schob den meisten Ausbauvorhaben des Nahverkehrs einen Riegel vor.

Die 125 Meter langen Röhren an der Station Hauptbahnhof Nord wurden nicht einmal mit Gleisen ausgestattet. Während der Tunnel in einem Bereich der Haltestelle noch mit Wand- und Deckenelementen verkleidet wurde, wurde an den Stellen davor und dahinter der schlichte Stahlmantel sichtbar.

Werbeplakate zeugen von einer alten Zeit

In den Röhren wurden Werbeplakate an den Wänden aufgehängt, die den Zeitgeist der 1960er-Jahre widerspiegeln. So sollten Passanten, die dann aber nie kamen, unter anderem auf die Eröffnung des Kaufhauses Horten im Herbst 1968 aufmerksam gemacht werden. Horten gibt es schon lange nicht mehr. Schilder wiesen die Richtung zu den Ausgängen, die zugemauert wurden. Die Röhren wurden mit Holzwänden oder Gittern abgesperrt. Ein Geisterbahnhof entstand.

In der nördlichen Röhre wurde 1994 eine Kunstinstallation untergebracht, die man durch einen wieder geöffneten, aber mit Gittern gesicherten Bereich hindurch ansehen konnte. In die Röhren selbst kam aber niemand. Hinter dieser Dauerausstellung standen die beiden Künstler Stephan Huber und Raimund Kummer, denen 1991 eine Ausstellung in der Kunsthalle gewidmet war.

Alte Anlage ein Glücksfall für neue Haltestelle

2006 baute man beim barrierefreien Ausbau der Station Fahrstühle in die nicht benutzten Gleiströge beziehungsweise Anfahrtsschächte ein. Dies kommt der neuen U-Bahnlinie U5 zugute, die derzeit in Hamburg gebaut wird und die unter dem Hauptbahnhof hindurchführt. Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) hält es für einen Glücksfall, dass man die Haltestelle nicht neu bauen muss: "Sie ist einfach schon da. Wir haben deswegen weniger Kosten, und zwar in einem hohen Millionenbereich. Wir haben einfach weniger Risiken, denn über uns sind die Fernbahngleise der Deutschen Bahn. Die dürften bei einem großen Bau nicht in Mitleidenschaft gezogen werden", sagte er Anfang Juni 2025, als der Entwurf für die künftige Haltestelle vorgestellt wurde. Sonst hätte man einzelne Ferngleise des Hauptbahnhofs jahrelang sperren müssen.

Eine Visualisierung zeigt, wie die Haltestelle der U5 am Hamburger Hauptbahnhof einmal aussehen soll.

Das Umsteigen zwischen den U-Bahn-Linien soll schnell möglich sein.

Hochbahn-Chef Robert Henrich nannte noch einen weiteren Vorteil: "Was für unsere Fahrgäste immer besonders wichtig ist, ist der bahnsteiggleiche Umstieg. Man möchte auf einem Gleis aussteigen und direkt gegenüber wieder einsteigen." In Zukunft sollen die Fahrgäste mit nur zehn Metern Fußweg von der U5 zur U2 und zur U4 wechseln können. Bis es so weit ist, muss noch einiges umgebaut und modernisiert werden.

Von 2040 an soll die U5 auf ganzer Strecke zwischen den Endhaltestellen Bramfeld und Volkspark durch Hamburg führen. Der Bau des ersten Abschnitts begann im September 2022. Die Hochbahn spricht vom größten U-Bahn-Projekt Deutschlands.

Dieses Thema im Programm: NDR 90,3 | NDR 90,3 Aktuell | 04.06.2025 | 16:00 Uhr