Friedrich Merz

Bewertung des israelischen Angriffs Scharfe Kritik an Merz' "Drecksarbeit"-Aussage

Stand: 18.06.2025 19:55 Uhr

War es nur ein markiger Spruch oder steckt mehr dahinter? In einem Interview sagte Kanzler Merz, die Israelis machten "die Drecksarbeit" für die westlichen Verbündeten. Das bringt ihm jetzt Kritik ein.

Von Christina Nagel, ARD-Hauptstadtstudio

Dass der Kanzler und der Außenminister Verständnis für das militärische Vorgehen der israelischen Regierung zeigen, ist nicht neu. Beide betonen immer wieder das Selbstverteidigungsrecht Israels. Daran, das hat auch die mehrtägige Reise von Außenminister Johann Wadephul gezeigt, haben sich die arabischen Partner ein Stück weit gewöhnt.

Der Ton aber, den Kanzler Merz jetzt gewählt hat, wirft Fragen auf. Bei den Partnern im Nahen Osten, aber auch im politischen Berlin. Die Israelis, sagt er im ZDF, machten die "Drecksarbeit" für alle.

"Ich kann nur sagen: größten Respekt davor, dass die israelische Armee den Mut dazu gehabt hat, die israelische Staatsführung den Mut dazu gehabt hat, das zu machen", sagte Merz. "Wir hätten sonst möglicherweise Monate und Jahre weiter diesen Terror dieses Regimes gesehen und dann möglicherweise auch noch mit einer Atomwaffe in der Hand."

Völkerrechtlich umstrittener Angriff

Es ist - und das ist bemerkenswert - eine Respektsbekundung für einen Präventivschlag, den Völkerrechtsexperten höchst kritisch sehen: Weil präventive Selbstverteidigung nur zulässig ist, wenn ein möglicher Angriff unmittelbar bevorsteht. Nicht aber im Fall eines möglichen zukünftigen Angriffs - wie Merz ihn andeutet.

Es sei etwas, das die Europäer besser wissen müssten, mahnt der jordanische Außenminister Aiman al-Safadi, der zu Gesprächen in Berlin ist. Das Völkerrecht, die UN-Charta würden keine militärischen, sondern diplomatische Lösungen vorsehen.

Doch an Verhandlungen mit dem Iran scheint Kanzler Merz nicht mehr recht zu glauben. Zumindest klingt es so, wenn er in der ARD davon spricht, dass Jahrzehnte lange diplomatische Bemühungen gescheitert seien.  

"Die amerikanische Regierung ist schon vor einigen Jahren aus diesen Gesprächen ausgestiegen", sagte Merz. "Die Europäer sind drin geblieben, in der Hoffnung, dass sich vielleicht doch noch etwas zum Besseren wenden lässt. Diese Hoffnung ist letztmalig in der letzten Woche grob enttäuscht worden."

SPD kritisiert Ton von Kanzler Merz

Es wirkt wie die Abkehr vom bisherigen außenpolitischen Kurs gegenüber dem Iran. Deutschland hatte sich immer wieder mit hohem diplomatischen Einsatz für ein Atomabkommen stark gemacht. Auch nachdem US-Präsident Donald Trump 2018 aus dem Vertrag ausgetreten war, versuchten die Europäer das Erreichte zu bewahren. Sie haben auch jetzt noch einmal Kontakt zu ihrem iranischen Amtskollegen aufgenommen: um Druck zu machen, um den Iran an den Verhandlungstisch zu bringen.

Deeskalieren, das müsse das Gebot der Stunde sein - fordert auch der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Adis Ahmetovic. Die Wortwahl des Kanzlers habe für erhebliche Irritationen in der SPD gesorgt: "Das oberste Ziel in dieser hochsensiblen Situation lautet deshalb Deeskalation. Die Tonalität des Bundeskanzlers ist an dieser Stelle wenig zielführend gewesen", sagte Ahmetovic.  

"Zynisch und unwürdig"

Auch von Seiten der Opposition kommt scharfe Kritik an der Wortwahl des Kanzlers. Der Fraktionschef der Linken, Sören Pellmann, spricht von einem Skandal. Kanzler Merz werfe das Völkerrecht über Bord und stimme ein in die verheerende Logik eines "Rechts des Stärkeren". Das schade dem Ansehen Deutschlands, nicht nur bei den Vereinten Nationen.

"Zynisch und unwürdig" nennt die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Deborah Düring, die Aussagen des Kanzlers. Auch vor dem Hintergrund der zivilen Opfer. Sie sagt, es brauche jetzt Diplomatie, "den Einsatz für Deeskalation und für den Schutz der Zivilbevölkerung in der gesamten Region. Merz macht das Gegenteil. Seine Aussagen sind brandgefährlich", sagte Düring.

Der Kanzler wird sich Fragen gefallen lassen müssen. Nicht nur in Berlin, sondern auch in der EU und im Nahen Osten. Er wird erklären müssen, was er gemeint hat. Ob es nur ein markiger Spruch war. Oder ob sich gravierend etwas verändert in der strategischen Ausrichtung der deutschen Außenpolitik.